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Aus gegebenem Anlass – Ein kleiner Trauerguide

In unserer noch so aufgeklärten und kommunikativen Gesellschaft wird das Konstrukt Trauer – definiert als Tod eines nahen Angehörigen bzw. einer Bezugsperson – immernoch von einem grauen Schleier der Unsicherheit, Unwissenheit und falscher Annahmen begleitet.

Ich kann sogar nachvollziehen warum das der Fall ist. Ein derart elementares und finales Ereignis löst eigene Ängste aus. Wir alle sind auf vermeintlich gesellschaftlich konforme Abläufe und Verhaltensweisen geprägt:

Trauer ist schwarz

Trauer ist traurig und benötigt besondere Worte

Trauer braucht Ruhe

Trauer braucht Zeit

Und ja, das alles ist wahr. Aber es ist so viel mehr. Trauer ist auch erinnern, reden, reflektieren, verarbeiten, weinen, lachen und alles wieder von vorne – Stunde um Stunde, Tag für Tag.

Trauer ist nicht einsam und sollte sie nie sein. Denn die Tatsache, dass dir ein geliebter Mensch genommen wurde, macht dich einsam genug. Dir fehlt plötzlich etwas, dessen Platz nie wieder ersetzt werden kann.

Trauer schlägt dann zu, wenn sie will, nicht wenn es grad in den Tagesplan passt. Es sind Momente, die man nicht kommen sieht: Erinnerungsblitze, Gerüche, Gedanken. Und genau dann ist sie dazu da hinzuschauen.

Trauer ist ein Prozess, der mit einer Wucht über dich hineinbricht, sich dann aber in Wellen durch dein Leben zieht.

So fühlt es sich an. Für mich. Subjektiv. Wie der einzelne Mensch dies in Handlungen umwandelt ist natürlich vielfältig und jeder Einzelne, der einen solchen Verlust bereits erlitten hat, wird wissen, dass auch irrationale Handlungen zum Prozess dazu gehören. Emotionen, die man nicht kennt oder nicht zulassen mag. Charaktereigenschaften, die plötzlich verstärkt erscheinen.

Und doch glaube ich, spreche ich für die Mehrheit, wenn ich sage: Wir brauchen euch in dieser schweren Zeit. Euch – die Familie, Angehörige, engen Freunde und Bekannte. Wir brauchen die Ansprache, den Austausch, die Möglichkeit zum Reden. Wir brauchen die Fragen, die Aufmerksamkeit, das Gefühl der Anteilnahme. Aber vor allem brauchen wir Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit. Es gibt keine richtigen und falschen Worte – Es gibt euch und es gibt uns. Wir sind nicht unfähig zu agieren oder zu reagieren, aber wir sind unfähig zu navigieren. Zumindest für eine gewisse Zeit.

Was wir nicht brauchen, sind Annahmen darüber, was JETZT richtig sein sollte. Vermutungen, was wir tun sollten und wie wir es tun sollten. Auch da ist eben jeder anders. Also fragt – direkt und immer wieder.

Oder wie ein naher Freund in ähnlicher Situation gestern so treffend ausdrückte: Wir laufen ja nicht ständig durch die Gegend und binden anderen Menschen unser Thema auf die Nase. Eben weil es ein schweres Thema ist. Und ja, die Zeit heilt, aber die Zeit lässt das Umfeld auch vergessen und macht dich einsam.

Mit meinem nächsten und engsten Freundesumkreis habe ich die Absprache getroffen, dass sie mich bitte einfach immer wieder antriggern. Entweder ich reagiere oder eben nicht. Entweder ich öffne die Tür, wenn sie davor stehen oder eben nicht. Ich hoffe für sie macht es den Umgang mit mir einfacher. Für mich ist das definitiv ein gutes Gefühl. Ich bin sehr dankbar.

Aber dennoch gibt es einzelne Personen, die einen in so einer Situation mit ihrer Reaktion enttäuschen. Die unfähig sind zu reagieren und dir ihre Definition von Trauer aufoktroyieren. Die meinen für dich zu wissen, was richtig ist. Die ihre eigenen Bedürfnisse nicht zurückstellen können. Leider die, von denen man sich das notwendige Mehr an Zuwendung wünscht. Das bedingt sich wohl und das schmerzt. Nochmal zusätzlich. Aber es spricht gleichzeitig auch für die jeweilige Beziehung und legt Weichen für die Zukunft. Denn was ist eine zwischenmenschliche Beziehung wirklich Wert, wenn sie in den dunkelsten Stunden deines Lebens nicht stand hält?

Und dann sind da Personen auf der anderen Seite des Kontinuums, die dich überraschen. Die plötzlich da sind. Die intuitiv das Richtige tun, sagen und dich fühlen lassen. Die dir einfach gut tun. Das ist sehr wertvoll.

Im Endeffekt ist es alles kein Hexenwerk: Seid einfach da, als die Person, die ihr für den Trauernden seid und kommuniziert dies. Handelt danach. Das ist alles, was zählt. Das ist alles, was ich mir zumindest wünsche.

8 Comments

  • T.

    26. Juni 2017 at 11:28

    Zunächst mal: Mein Beileid!
    Ja, Trauer kann sehr verschieden sein. Das habe ich gemerkt, als im letzten Jahr meine Oma verstorben ist. Meine Mutter und ich haben da manche Dinge ziemlich unterschiedlich gesehen.
    Ich finde das Falscheste, was Aussenstehende (Freunde, Kollegen) machen können, ist, gar nichts zu sagen und so zu tun, als wäre nichts. Ein “Es tut mir Leid” ist ja wohl nicht zuviel verlangt!

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  • Ina

    26. Juni 2017 at 15:18

    Mein Beileid zu deinem unendlichen Verlust. Deine hier geschriebenen Worte sind so wahr. Schlimm ist das Schweigen mancher. Dann, wenn man das Reden am nötigsten hätte. Man hat Angst das falsche zu sagen. Das einzig falsche ist nichts zu sagen. Ich wünsche dir Kraft ……und gleichzeitig Schwäche zuzulassen. Ina

    Antworten
  • Melina

    26. Juni 2017 at 23:16

    Mein herzliches Beileid.

    Ich habe vor 3 Jahren plötzlich ansehen müssen wie meine große Liebe 15m tief stürztet und Starb. Wir waren vorher auf einer Party und hatten wirklich Mega viel Spaß. Das Schicksal ist ein mieser verräter wie es so schön in einem Film heißt. Es ist wahr. Es tut weh und man versteht es nicht. Ich musste damals therapeutisch betreut werden, weil ich ein Trauma zusätzlich erlitt. In dieser Zeit habe ich unendlich viel über mich gelernt. Regelmäßig musste ich ins Klinikum Ochsenzoll fahren. Ich war dankbar das es mir im Verhältnis zu anderen so “gut” ging. Worauf ich aber eigentlich hinaus will. Lass alles zu, lass alles raus. Weine, schreie, lache, zappel oder tue nichts. Dein Körper und dein Geist sagt und zeigt dir was gut für dich ist. Ich habe 2 Tagebücher vollgeschrieben mit Gedanken und Erinnerungen. Wenn es mir heute mal schlecht geht oder ich traurig bin, dann schaue ich und die Bücher und bin glücklich. “Glücklich” das es mir wieder gut geht.

    Ich wünsche Dir von Herzen alles gute.

    Melina

    Antworten
  • Nura

    27. Juni 2017 at 22:59

    Hallo,

    ich folge dir nun ca. seit einem halben Jahr und denke immer wieder, dieser Mensch ist tiefsinnig und du könntest gute Gespräche mit ihr führen und dich austauschen über die vielen Dinge, Gefühle die einen und jeden von uns plagen und beschäftigen, vielleicht erfreuen oder erdrücken. Je nach dem wie weit der eine oder andere in seiner Entwicklung ist. Trauer ist so viel mehr als nur schwarz und Trauer ist so viel mehr als nur Ruhe und die richtigen Worte. Trauer ist auf eine Art auch leben und Besinnung. Ich habe vor vier Jahren zwei besondere Menschen verloren. Familienmitglieder die viel zu jung waren um zu sterben. Dennoch ist es für uns alle ja vorbestimmt und gehört zum Leben dazu. Das Sterben ist für die Hinterbliebenen schlimmer als für die die tatsächlich Ruhe und Frieden bekommen. Du hast gute Gedanken und gute Wege.
    Mein Beileid. Viele Kraft, Licht und Liebe.

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  • Fabienne

    28. Juni 2017 at 13:50

    Mein Beileid, aus tiefstem Herzen. Und Danke für diesen wundervollen Text. Danke für diesen Text, der trotz (oder vielleicht gerade aufgrund) der lähmenden Trauer, der plötzlichen Orientierungslosigkeit, besser nicht formuliert sein könnte. Danke für diesen Text, der manche dunkle Stunde erhellt und manchem Lesenden Kraft spendet.
    Ich bewundere dich für deine Stärke, für deine Fähigkeit, mit dem Schmerz und der Trauer auf eine Art und Weise umzugehen, wie es sich manch anderer wünschen würde… Es lässt sich nicht in Worte fassen, wie sehr dein Geschriebenes mich berührt, mir Mut macht und zugleich den Boden unter den Füssen wegzieht.
    Ich hoffe, du kannst aus diesen Worten – den Worten einer Fremden, aber vielleicht in einem gewissen Sinne doch ganz Nahen – ein kleines bisschen Mut schöpfen. Mut, um den Weg weiterzugehen, das Leben zu geniessen, dankbar zu sein, glücklich zu sein. Denn du bist nicht allein – WIR sind nicht allein.
    Arthur Schopenhauer schrieb einst: “Ich glaube, dass wenn der Tod unsere Augen schließt, wir in einem Licht stehen, von welchem das Sonnenlicht nur ein Schatten ist.” – vielleicht begleiten dich diese Worte ein Stück und helfen beim Versuch, das Unbegreifbare zu begreifen…
    Ich wünsche dir die nötige Zeit und die Kraft, um diesen Schicksalsschlag zu verarbeiten – die Unterstützung, die Freundschaft, die Liebe, die du brauchst in diesen Stunden.

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  • Laura

    12. August 2017 at 8:21

    Meine Mama ist am Mittwoch nach fast 20 Jahren Kampf gegen die gleiche Krankheit auch gestorben.. Wir versuchen uns zu sagen dass es ihr jetzt besser geht und sie am Ende dank der Ärzte keine Schmerzen hatte. Sie war für uns die beste Mami der Welt. Vor Kurzem hat sie nochmal gesagt dass ihr großes Lebensziel war, mich und meinen Bruder groß zu bekommen und zu sehen dass was Gutes aus uns wird. Ich denke jetzt konnte sie sich sicher sein dass sie das geschafft hat. Ich kann jedes Wort deines Textes unterschreiben. Falsche Worte gibt es eigentlich nicht, ich merke auch, wie sehr alle da sind und wie wichtig das ist. Sie nehmen einem alle unwichtigen organisatorischen Sachen ab und rufen immer an. Der Einzige, der gar nicht damit umgehen kann ist mein Exfreund, von dem ich erst seit zweieinhalb Monaten getrennt bin, nach sieben einhalb Jahren Beziehung. Nicht einmal ein Anruf. Das tut weh, zeigt mir aber einmal mehr dass es die beste Entscheidung meines Lebens war, sonst wäre ich jetzt daran kaputt gegangen..
    Ich wünsche dir weiter ganz viel Kraft in dieser schwersten Zeit. Denn wie du sagst, man konnte sich zwar drauf vorbereiten, aber am Ende trifft es einen trotzdem mit einer unfassbaren Wucht.

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