Bevor ich hier gleich den gesamten Zeitungsbericht hinein kopiere, möchte ich etwas zu der Überschrift zum Artikel sagen: Weil sie eben nicht 100% korrekt ist. Das Wort “gratis” impliziert, dass man nichts für etwas tun muss. Etwas ist umsonst. Das stimmt aber hier nicht. Wahr ist, dass ich für einige Dinge keine monetären Beträge aufbringen muss, dafür gehe ich andere Verpflichtungen ein. Ich schreibe, interagiere, kommentiere, fotografiere, halte mich an Abgabetermine, Vorgaben, Inhalte, muss kreative Konzepte entwickeln, Geschichten erzählen, an Events bzw. Veranstaltungen teilnehmen und verpflichte mich sogar rechtlich über gewisse Zeiträume diese Dinge zu leisten. Ganz einfach gesagt: Die Arbeit eines Freiberuflers mit dem Vorteil, bestimmte Gegenstände dafür zur Verfügung gestellt zu bekommen. Ich betone diesen Aspekt so sehr, da es der Kern des Missverständnisses ist, der aktuell in der Öffentlichkeit diskutiert wird. Wie ich bereits unter meinem heutigen Instagram Post erwähnte, ist der Bereich des Social Media Marketings oder auch Influencermarketings ein neuer Bereich, der sich entwickeln muss. Er benötigt gefestigte Codes, die branchenweit und außerhalb beim Empfänger verstanden und akzeptiert werden. Diese Entwicklung bedarf Zeit und Aufklärung. Natürlich ist mir bewußt, dass die Überschrift deshalb reißerisch gewählt wurde, damit der Zeitungsleser zum Lesen des Artikels angeregt wird. Denn wer den ganzen Artikel liest und den Zusatzartikel darunter, bekommt einen kleinen Eindruck davon, was dahinter steht.
Und damit genug der einleitenden Worte. Hier kommt der Bericht 🙂 Viel Spaß und ich freue mich auf eine Diskussion zu dem Thema – hier drunter oder bei Instagram direkt!
Sofa und Küche gibt’s gratis
Auf elbgestoeber.de gewährt die Hamburgerin Jenny F. Einblicke in ihr Leben auf St. Pauli.
Das nutzen Anbieter und Hersteller von Möbeln
Anette Bethune
Wie es der Zufall will, wird zum Abschluss unseres Besuchs gerade ein neues Sofa angeliefert. Jenny F. freut sich: Sie muss nichts dafür bezahlen. Auch die Anlieferung ist kostenlos. Fünf Stockwerke, gut 100 Stufen, müssen die drei Männer von der Spedition das sperrige Möbel hochhieven. Ihr Keuchen ist nicht zu überhören. Abgekämpft und verschwitzt kommen sie oben an. Willkommen in der Welt einer Bloggerin.
Vor gut fünf Jahren hat Jenny F. diese schön geschnittene, 65 Quadratmeter große Wohnung nahe dem Hamburger Fischmarkt bezogen. Die Miete sei bezahlbar, erzählt sie. Was für ein Glück, denn der Blick auf den Hamburger Hafen, auf die Docks und die Schiffe ist unbezahlbar. Und den hat die 31-Jährige sowohl vom Balkon als auch vom Wohn- und Schlafzimmer aus. Damit sind schon die Grundpfeiler ihrer Erfolgsgeschichte benannt.
„Ich wollte anfangs einfach nur andere auch an diesem wundervollen Blick teilhaben lassen. Deswegen habe ich damals Fotos über Instagram hochgeladen“, erzählt die junge Frau. Schnell kamen die ersten „Ahs“ und „Ohs“, dabei auch freundliche Kommentierungen ihrer Einrichtungsideen. Mittlerweile hat Jenny F. etwa 60.000 Follower, die ihr über www.instagram.com/elbgestoeber weit über Hamburgs Grenzen hinaus folgen. Einige der Kommentare wirken wie von Freunden, die spontan kurz mal bei Jenny F. „reinschauen“, um zu sehen, was sie so in ihrer Wohnung anstellt. Viele lassen sich dabei von ihren Ideen inspirieren. Ein reger und freundlicher Austausch herrscht hier.
Damit wird Jenny F. interessant für Einrichter und Hersteller, die auf diese Weise ihre Produkte – so auch das besagte Sofa – ins rechte Licht rücken können. Clevere Produktplatzierung nennt man das! Jenny F. ist das klar; die Social-Media-Managerin, die Betriebswirtschaft und Sozialwissenschaft studiert hat, ist nicht naiv. „Das ist natürlich billiger als für Tausende von Euros Anzeigen in Zeitschriften zu schalten“, sagt sie. Umso mehr begegne sie den nunmehr häufiger gestellten Anfragen nach etwaigen „Kooperationen“ kritisch, betont sie. „Auch das Sofa hätte ich nicht genommen, wenn es mir nicht wirklich gefallen würde“, sagt sie. Es sei jetzt exakt in dem Farbton und mit dem Stoffbezug angeliefert worden, wie sie es sich gewünscht habe. „Anders hätte ich es nicht genommen und aufgestellt.“
Noch am selben Tag werden ihre Follower über das neue Möbel in den sozialen Medien informiert, bekommen dort neue Einblicke von ihrem Wohnzimmer zu sehen. Auf Instagram eher kurz und knapp mit einem entsprechenden Link zum Hersteller, in ihrem Blog elbgestoeber.de unter „Sofazeit ist Hygge Zeit #Werbung“ sehr viel umfangreicher. Hier erzählt die Bloggerin offen, wie es zu der Kooperation kam, um wen es sich handelt und warum sie den Handel eingegangen ist. „Die Marke andas kannte ich zuvor noch gar nicht, habe mich aber direkt in das cleane, skandinavische Design verguckt!“, schreibt sie.
Im Anschluss informiert sie in leichtem und lockerem Ton über ihre „Essentials für den perfekten hyggischen Sofaabend“ und weist auf die Chance hin, einen Shopping-Gutschein im Wert von 500 Euro verlosen zu können – im Namen ihres Vertragspartners. Diese Aktion läuft übrigens noch bis zu diesem Sonntag. So geht also Werbung im digitalen Zeitalter!
Und die, die davon profitieren? Auf der Seite von otto.de muss man nicht lange suchen, um zu erfahren, wie das Hamburger Versandhaus zu diesem Thema steht. Mit dem Titel „Die 5 größten Irrtümer über Influencer und Influencer Marketing“ ist dort ein Beitrag von Sahra Al-Dujaili, Social-Media-Managerin und Spezialistin für Instagram-Kommunikation im Handelskonzern, hinterlegt. Dort schreibt sie unter „Irrtum #5“: „Wir fragen uns: Warum sollte die klare und eindeutige Kennzeichnung als Werbung auch schlecht sein? Wenn Influencer und Marke miteinander harmonieren, die gemeinsame Kooperation glaubwürdig zur Lebenswelt des Influencers passt und gut durchdacht ist, dann bedeutet eine eindeutige und explizite Werbekennzeichnung keinen Authentizitätsverlust.“ Auch Jenny F. ist dieser Punkt wichtig: bei sich bleiben, trotz aller Verlockungen.
Die Begehung ihrer Wohnung zeigt: Außer dem gigantischen Kühlschrank in der Küche, den sie bei einem Event gewonnen hat, sind keine Luxusgüter zu sehen. Noch herrscht ein bunter, dafür gekonnter Mix von Altem und Neuem in ihrer Wohnung vor. „Vieles davon habe ich über Kleinanzeigen erstanden“, erzählt sie. Das alte Sofa – ein Zweisitzer einer bekannten schwedischen Firma – hat sie ebenfalls schon über diesen Kanal verkauft. Es soll noch am selben Tag abgeholt werden, wie sie erzählt.
Trotz Social Media hat diese bewährte Methode also noch nicht ausgedient. Jenny F. verwundert es nicht. Sie beobachte noch viel Unsicherheit bei Firmen, Veranstaltern und Ausstellern, wie mit den neuen Medien richtig umzugehen sei. „Und es ist ja auch echt Arbeit. Man muss wissen, wie man welche Hülse zum Einsatz bringt!“
Einblicke in ihr Seelenleben gestattet sie auch
Dennoch – ein Leben ohne Blog und Instagram mag sie sich nicht mehr vorstellen. „Als meine Mutter im vergangenen Jahr an Krebs gestorben ist, hat mir das Schreiben darüber und der Austausch mit anderen Menschen sehr gut getan“, erzählt sie. Sie habe zwar lange überlegt, ob sie Einblicke in ihr Seelenleben gewähren soll, aber die Offenheit sei ihr gedankt worden.
In dieser Zeit hat Jenny F. übrigens damit begonnen, die schönen alten Dielen in ihrer Wohnung freizulegen. „Dafür mussten Schichten von Kunststoff und verklebtem Teppichboden entfernt werden“, erzählt sie. Harte Arbeit, die ihr aber gut getan habe. Leider hatte dies zur Folge, dass ein Teil der Küche dabei entfernt werden musste. Damit kommen wir zum nächsten Kooperationsprojekt der 31-Jährigen. Die Firma Marquardt Küchen wird ihr bald eine neue Zeile einbauen – mit Abzugssystem direkt hinter dem Induktionsfeld und Fliesenspiegel sowie Arbeitsplatte aus dunklem Granit. Wie alles aussehen soll, zeigt ein 3-D-Modell auf Instagram. „Das hier ist die Grundidee! Mehr in den Stories!“, ist dort zu lesen. So macht man das also mit den Hülsen.
Die Wohnungen anderer Leute später mal einzurichten, das kann sich Jenny F. gut vorstellen. Und wer weiß? Vielleicht können die dann ja auch von Kooperationen dieser Art profitieren . . .
Zusatzartikel:
Die Macht von sozialen Medien
Der Einfluss von Youtubern und Bloggern auf Kaufentscheidungen wird sich fortsetzen, prognostizieren die verstark anwachsen“, prognostiziert Dr. Roland Heintze, Geschäftsführender Gesellschafter und Social-Media-Experten von Faktenkontor. Die Hamburger Agentur erfasst seit 2011 mithilfe von Umfragen die Nutzung sozialer Medien in Deutschland und erstellt jährlich einen Social-Media-Atlas.
Eine Theorie von Medienwissenschaftlern lautet: Informationen werden nicht mehr gezielt gesucht, sondern es wird konsumiert, was online vermittelt wird. „Und das trifft zu, je jünger die Menschen sind. Es kommt also darauf an, in diesen ,Newsfeed’ zu gelangen“, sagt Jörg Forthmann, Geschäftsführer von Faktenkontor. Für Blogger und den Handel sei dies eine Win-win-Situation. „Blogger transportieren ein Lebensgefühl. Das unterscheidet soziale Medien in der Regel von anderen Medien.“
3 Comments
Marina
28. Januar 2018 at 11:49Ich frage mich immer wieder wie hoch der Werbeeffekt auf Instagram ist. Kaufen einige der 63k Follower wirklich die geschenkte Artikel (Küche, Sofa, Fernseher, Waschmaschine, Kühlschrank) nach? Ich kann mir das gar nicht vorstellen. Bei mir führt diese Werbung zu Reaktanz, wenn die Werbebeiträge in mir allzu negative Gefühle auslösen, entfolge ich (bei elbgestoeber seit dem merkwürdigen Kühlschrank). Ich denke die Firmen wissen nichts über die tatsächlichen Werbewirksamkeit von Insta, springen aber auf, weil sie es nicht abschätzen können (da nicht messbar). Es muss jeder selbst wissen, ob er Instagram als Dauerwerbe-Berieselung nutzen möchte,für mich ist das nichts.
Anja
4. Februar 2018 at 11:28Unabhängig davon das die Bloggermarketingmaschinerie für mindestens zwei Seiten (Wirtschaft/Blogger) funktioniert und deshalb scheinbar auch ihre Berechtigung hat, gibt es nur einen Punkt der mich grundsätzlich bei diesen social media/bloggerinkludierten Werbegeschichten stört. Es ist nicht, dass ein Blogger kostenlose Produkte erhält und im Gegenzug dafür Produkte bewirbt, sondern das ein Interior/Fashion/Näh- usw.Blogger über diese menschlich geschaffene Nähe ala “wir könnten Freunde sein/ ich bin einer von Euch/ ich teile mein Leben mit dir/ alles was ich kaufe, kannst auch du kaufen” suggeriert, der ständige Wandel in seiner Wohnung/in seinem Leben/in seinem Kleiderschrank wäre tatsächlich für den OttoNormalVerbraucher dauerhaft “bezahlbar/tragbar”. Dieser Wandel in der Werbung ist schon sehr perfide und in dem “onlineshopping”Massenmarkt sehr gewinnbringend. Wie war das noch, “Konsum ist geil” 🙂
settebello_hh
24. Februar 2018 at 12:14Liebe Jenny,
nachdem mein Vater mir bereits den Artikel aus dem Abendblatt herausgerissen hatte, schaue ich nun auch einmal direkt vorbei.(Mittlerweile werden etliche Artikel zu diesem Thema archiviert… :)) Glückwunsch zum Bericht! Weiter so! Liebe Grüße an den Hafen,
Isabelle
#wearehamburg
http://www.siebensonnen.de